Dienstag, 15. Juni 2010

Die Philippinen

Die Philippinen

Land zwischen damals und Heute, Land der verloren gegangenen Kulturen.


Nehmen sie sich etwas Zeit und denken sie an die Philippinen.
Was kommt ihnen als erstes in den Sinn?

Liegt in Asien, Traumstrände, Palmen, tropische Sonnenuntergänge im Meer?
Vielleicht noch Armut und Sextourismus?
Gar nicht schlecht! Sie gehören somit zur Minderheit aus Deutschland, die zumindest so viel über die Philippinen weis. Vertrauen sie mir, der Rest weis weniger.
Trotzdem muss ich ihnen sagen, es sind bestenfalls nur Halbwahrheiten…

Stellen sie sich vor sie stehen in einem tropischen Wald. Sie sehen verschiedenste Vegetation und es sind kaum Vögel zu hören, ehr Grillen. Die Luft ist heiß und stickig.
Wie aus dem nichts kommt ein älterer philippinischer Man vorbei. Er dürfte so um die 60 sein oder etwas älter. Er ist ca. 1,65 Meter groß und sie schätzen in auf 50-55 Kilo. Er trägt ein abgewetztes T-Shirt mit einem Los Angeles Schriftzug darauf. Shorts, Flipflops und Kappe. Im Mund eine 100erte Mentholzigarette. Am handgeflochtenem Gürtel ist ein rostiges Buschmesser zu erkennen. Auf dem Rücken trägt er einen handgearbeiteten offenen Bambusrucksack, er nimmt ¾ der Körpergroße des Mannes ein. Im Rucksack befinden sich getrocknete Kokosnussschalen. Der Man bewegt sich geschmeidig und mit schnellem Schritt auf diesem unebenen Gelände. Es ist keinerlei Anstrengung in seinem Gesicht zu erkennen. Er lächelt sie an und entblößt dabei ein paar verbliebene gelb-schiefe Zähne und grüßt
sie freundlich im laufen mit den Worten: „Hey Joe!“. Und schon ist er wieder im Dickicht des Waldes verschwunden.
Was sie nicht wissen: Der Wald in welchem sie stehen, ist schon lange kein Regenwald mehr, in den 70ern wurde das meiste einheimische Haltholz auf den Philippinen abgeholzt, ihnen dürften die ganzen Kokospalmen aufgefallen sein, diese wurden statt des Hartholzes angepflanzt, daher hörten sie auch kaum Vögel geschweige denn Affen, der Lebensraum vieler Tiere ist seit der Abholzung stark gefährdet. Der Man den sie trafen heißt Juan.
Hat 7 Kinder und bereits 4 Enkelkinder, eines seiner Kinder starb im alter von 3. Er wohnt zwischen Salcedo und Guiuan, Region 8, Eastern Samar, Philippines,
in einem kleinen Bambushäuschen nahe der Straße ohne fließend Wasser und ohne Elektrizität. Die ganze Familie unter einem Dach. Er ist „Coprahändler“. Copra ist die Bezeichnung für getrocknete und gebrannte Kokosnussschalen. Seit Juan 12 Jahre war, machte er diese Tätigkeit, wie sein Vater vor ihm. Er bringt die fertigen Kokosnussschalen einmal in der Woche, zu Fuß, Wegstrecke 4 km durch den Wald, zu einem Zwischenhändler. Der Korb wiegt soviel wie Juan selbst, meist etwas mehr. Das Gehalt das er dafür bekommt reicht gerade so um seine Familie für einen Monat zu ernähren.
Er hat zumindest die Grundschule besucht, da diese kostenfrei ist und der Job ist seine einzige Einnahmequelle für die Familie. Die meisten seiner Kinder arbeiten ebenfalls in kleinen Jobs wie diesen und unterstützen die Familie. Er ist besonders stolz auf seine älteste Tochter, welche in Tacloban gerade angefangen hat zu studieren, doch die Finanzierung dessen muss seine Tochter
Hanna- Gwen selbst tragen.

Sie entscheiden sich den Wald zu verlassen. Laufen ca. 1 km Richtung Straße zurück. Es ist für Deutsche Verhältnisse soviel Verkehr auszumachen wie in einer kleinen Gemeinde. Nur das der Verkehr hier riesigen krach macht. Sie sehen alte, reich verzierte, bunte ehemalige amerikanische Armeebusse und Motorräder mit überdachten Außenkabinen. Ein paar Laster und einige Motorroller.
Der Zustand der Straße ist schlecht. Schlaglöcher sind mit Sand und Kies gefüllt, statt mit neuem Teer. Da gerade Trockenzeit ist, staubt der Sand in den Schlaglöchern so stark das man kaum atmen kann und die Augen anfangen zu brennen. Sie halten einen der bunten, Armeebusse an, in ihrem Reiseführer haben sie gelesen das diese „Jeepney“ genannt werden. Sie haben auch gelesen dass es hier nur eine Straße gibt und der Jeepney fährt in Richtung Guiuan, da wollen sie hin. Der Jeep ist voller High School Schüler in Uniform, die Schule muss wohl gerade aus sein. Als Sie einsteigen fangen die Mädchen an zu kichern und einander ins Ohr zu flüstern. Eines der Mädchen traut sich durch den Jeep zu schreien: „ Gwapo ka!“. Alle im Jeep fangen an zu lachen und einer in einer dreie Jungengruppe fragt noch kleinlaut: „ Lookin` for pampam Joe?“. Sie haben natürlich nichts verstanden, wollen aber wissen was so witzig war. Also drehen sie sich zu einer ihrer Sitznachbarinnen und fragen: „ Ahm, excuse me, what is so funny, what was the joke about?“
Sie grinst sie nur verlegen an, dreht sich weg und legt ihren Kopf lachend auf die Schulter ihrer Sitznachbarin. Der ganze Jeep fängt wieder an zu lachen. Sie sind verwirrt, fragen nichts Weiteres und sind leicht angesäuert. Was ihnen noch auffällt ist das jeder der Teenager ein Handy besitz, mit welchem in einer rasenden Geschwindigkeit SMSe verschickt werden. Der Jeep stoppt in Guiuan, sie geben dem Cashier 100 Peso, warten noch kurz auf evtl. Rückgeld, kommt aber nichts, muss also der Richtige Betrag sein. Sie gehen direkt in eine der zählreichen großen Eaterys welche sich am Plaza befinden. Sie möchten einmal das essen, was die Filipinos essen, denn sind vor kurzem aus Cebu angereist.
Dort wohnten sie für 2 Wochen in einigen der zahlreichen wunderschönen Beachresorts, welche seltsamerweise nur von Ausländern betrieben wurden und auf der Speisekarte fanden sie vormals westliche Speisen. Davor haben sie nur Manila gesehen, doch haben es da nicht lange ausgehalten da ihnen die Stadt zu groß und zu stickig war.
Sie bestellen Tintenfisch, Reis und Gemüse. Der Geschmack ist für sie leicht ungewohnt, aber vertretbar denn sie sind ja nur noch 3 weitere Tage hier, danach geht es wieder nach Deutschland. Beim Essen fällt ihnen eine kleine, gerahmte Fotoaufnahme auf. Sie zeigt Bambushäuser, eine Schotterstraße und philippinische Männer nur in Lendenschutz bekleidet, mit Speeren in der Hand. Neben ihnen stehen ihrer Meinung nach amerikanische Soldaten. Unter der Aufnahme steht „Tacloban around 1900“.
Was sie nicht wissen: die Straße auf welcher sie in Salcedo standen, welche nur mit Sand und Kies „geflickt“ wurde, wurde in den letzten Jahren durch Erdbeben und Taifune beschädigt, daher die Schlaglöcher. Die Schlaglöcher wurden deshalb nur mit Sand und Kies ausgebessert da die Politik hier korrupt ist, Geld zu Ausbesserung angefragt wird und das meiste in den Taschen der Politiker verschwindet. Vom Rest wird Felsen aus dem Wald abgetragen, in welchem sie Juan trafen, und Sand vom Straßenrand mit dem zerkleinerten Felsen vermischt und in die Schlaglöcher eingefüllt. Die Papiere welche die Politiker dann einreichen lassen verlauten dass die Straße ordnungsgemäß ausgebessert und das Budget dafür vollständig aufgebraucht wurde. Kontrollieren wird das natürlich niemand.
Die High School Kids im Jeep lachten das erste Mal deswegen, da das eine Mädchen zu ihnen sagte: „ Du bist ein richtig hübscher“. Und der eine aus der Dreiergruppe fragte sie ob sie auf der Suche nach Sex sind. Warum das Alles? Weiße Haut ist hier das Schönheitsideal, es strahl Reichtum aus. Egal wie hässlich sie eigentlich sind, sie sind Schön solange sie weiß und Ausländer sind. Der Junge fragte sie deshalb ob sie auf der Suche nach Sex sind, da die meisten weißen männlichen Touristen danach hier auf der Suche sind. Er findet es natürlich bei weitem nicht gut, aber wie sollte er die Situation ändern? Er hat wenigstens die Möglichkeit sie in seiner eigenen Sprache zu verarschen. Würde ich genauso machen, währe ich in seiner Lage. Das Mädchen reagierte deswegen so verlegen auf ihre Frage, da sie denkt ihr English ist nicht gut genug um ihnen zu antworten, sie möchte sich nicht blamieren.
Sie denkt sie sind Amerikaner. Jeder versteht ihr Verhalten, weil jeder das gleiche fühlen würde und in dieser Kultur wird eben gelacht anstatt beschämt weg zu sehen oder die Person mit einem kritischen Blick zu strafen. Das Lachen der Passagiere war nicht gegen sie gerichtet.
Der Cashier im Jeepney hat sie übrigens „abgezogen“. Die Fahrt kostet 15 Peso, aber er weis sie sind Tourist, kommen wohl nie wieder und die 100 Peso tun ihnen nicht weh.
Sie haben ja genug, sie sind weiß und Reich. Warum dieser Irrglaube: weiß meint reich?
Haben wir Weißen uns wohl selbst zu zuschreiben! Wir kommen her, nehmen uns die Frauen und bauen riesige Villen in welchen wir leben und bauen wunderschöne, teure Beachresorts und verhalten uns so als hätten wir keine Probleme mit der Bezahlung des Ganzen. Der Fakt das der Lebensstandart hier viel günstiger ist als in Amerika, Europa oder Australien und die Leute von dort eben auch dafür sparen müssten, kann von Filipinos nicht gesehen werden, wenn wir uns nicht so verhalten. Ein Filipino hätte niemals das Geld so etwas aufzubauen, außer er ist selbst reich, z.B. durch die Politik…räusper, räusper…
„Joe“ oder „Americano“ werden sie deswegen hier genannt da die meisten Touristen hier eben Amerikaner sind. Sie sind weiß, sprechen English, sie sind wohl Amerikaner. Der Name „Joe“ kommt übrigens von GI- Joe. Die GIs waren die ersten amerikanischen Soldaten, welche halfen die Philippinen von der japanischen Besetzung im zweiten Weltkrieg zu befreien. Ironisch das genau diese auch damit anfingen eine Stadt wie Angeles City aufzubauen…gehe ich nicht weiter darauf ein.
Zum Thema Handy: Handynetz gibt es in Salcedo erst seit 5 Jahren und das mehr schlecht als recht. Ein Handy hier zu besitzen, natürlich möglichst das Neueste, zeigt ebenfalls Reichtum. Sozialer Status ist hier alles.
Das Essen welches sie in der Eatery aßen, ist nicht das Standart Filipino Essen! Besteht normalerweise nur aus Reis und Fisch und das 3 Mal am Tag, Geld für Gemüse ist in der Regel nicht da.
Das Bild an der Wand welches sie sahen ist eine Aufnahme als die GIs hier ankamen. Kaum zu glauben das man hier vor rund 70 Jahren noch Bananenblätter auf der Haut trug und heute hat man Handys. Das ist so als hätte man die Europäische Kultur vom Jahr 1600 direkt ins Jahr 1940 geprügelt und das nicht nur im Bezug auf Handys. Und den Sprung innerhalb von 70 Jahren?!? Ist klar wie viel Kultur dabei verloren geht. Oder das Neues und Altes direkt nebeneinander zu finden ist. Hier wird sich jetzt an Amerika orientiert. Ja wir haben den Menschen hier wirklich geholfen…räusper, räusper...

Die größte Hoffnung der meisten Filipinos ist es, es irgendwann ins Ausland zu schaffen um dort gutes Geld zu verdienen. Der größte Teil des Geldes das hier in die Wirtschaft fließt kommt übrigens aus dem Ausland. Nicht durch Touristen, sondern durch Filipino Overseas (Filipinos die im Ausland leben und arbeiten und Geld in die Heimat schicken).
Vergessen Sie Manila, Cebu und Palawan. Das hat nichts mit den echten Philippinen zutun.
Allein In Manila leben 60% aller Filipinos. Die meisten kommen ursprünglich aus Provinzen wie Eastern Samar, auf der Suche nach einem besseren Leben. Viele Scheitern und haben kein Geld um zurück zu gehen. In Cebu Stadt ist es das Gleiche, allerdings finden sie auf der Insel Cebu die „schönen Beachresorts“ welche ich beschrieb. Die Insel Palawan ist die teurere Urlaubsvariante, „schönere und teurer Beachresorts“ als auf Cebu.
Provinzen wie Eastern Samar sind das echte Leben. Touristen verirren sich allerdings selten hier her.

Kommen sie also hier her, wenn sie das Land wirklich sehen wollen.
Aber bitte mit „behave” wie der Filipino inzwischen sagt. Das sollten sie auch meiner Meinung nach in jedem anderen Land tun welches sie bereisen.

Personen aus der Geschichte sind frei Erfunden.
Der Rest basiert auf Tatsachen.

Geschrieben von David Hesselmann, Deutscher Entwicklungsdienst, Volunteer.
Lebte ein Jahr in Salcedo, Eastern Samar, Philippines.
(DED hat von diesem Schriftstück keine Ahnung. Falls Beschwerden bitte an mich)

1 Kommentar:

  1. Lieber David,
    du hast sehr gut geschrieben. Dazu möchte ich
    folgende info; Es beweißt nur das die Filipinos in Ost Samar sind Geduldig und liebt
    FRIEDEN. Wieso? Folgende Erklärung:
    Google: 1. Ferdinand Magellan
    2. Balangiga Massacre
    3. Navy 3149.ph
    4. Guiuan Airfield, Samar Province
    Es gab keine Wiederaufbau. Andere Länder haben
    schon UNRUHE oder sogar Krieg.
    Heute, Salcedo hat Natur Schönheiten wie 3
    Tropsteinhöhlen, 1 Natur Tunnel, weiße Sandstränden, Mangrovenwälder, Flusse, 6 kleine vorgelagerte Inseln, schöne Sonnenauf u. untergänge, und unvergleiche Unterwasserwelt.
    Langzeit Urlauber und Rentner Ehepaare sind
    dort willkommen, aber wie du geschrieben hast,
    "BEHAVE" ! Um die Naturschönheiten zu halten, hoffe ich das die Vertretung von International Entwicklungshilfe Organizationen
    dort persönlich besuchen.
    Habt spaß noch auf den Philippinen.

    A. Schäfer

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